Sie haben uns ein Denkmal gebaut

Heute mal wieder ein leckeres britisches Kulturhäppchen: Am Trafalgar-Square gibt es ja an jeder der vier Ecken einen hohen Sockel. Einer davon war für ein Reiterdenkmal Williams IV reserviert, blieb aber aus irgendeinem Grunde unbesetzt. Und weil das komisch aussah, hat man immer mal etwas anderes draufgestellt. Seit ich das zum ersten Mal bemerkt hatte, musste ich mich hier immer wundern, was sie jetzt wieder Unpassendes hochgehievt hatten. Um dann ein Jahr später zu sehen, daß es auch noch schlimmer geht. Ziel schien es zu sein, etwas in Farbe, Material und Geist komplett Ortsfremdes und Unansehliches zu finden, worüber sich dann alle aufregen (so wie in Kassel immer nach der dokumenta, wenn der Scheiß nicht wieder abgebaut wird).

Deutlich sympathischer die derzeitige Ausstellung: 100 Tage lang bekommt 24 Stunden am Tag jede Stunde jemand anders eine volle Stunde Zeit zur freien Verfügung dort oben. Man musste sich zuvor darum bewerben, und das habe ich natürlich gemacht. Ich bin aber nicht auserwählt worden. Ich weiß auch nicht genau, was ich da oben dann machen würde, ich kann ja keine Kunststücke. Im Fernsehen habe ich gesehen, wie die Frau, die als erster hochdurfte, gerade vor Kameras darüber sprach, was das für eine Ehre sei, den Anfang machen zu dürfen. Währendessen hat sich im Hintergrund einer unerlaubterweise schnell am Sicherheitsnetz hochgehangelt und ihr von oben winkend die Show gestohlen.

Viele versuchen, die gewonnene Aufmerksamkeit für einen guten Zweck, also eine wohltätige Sache, die ihnen am Herzen liegt, zu nutzen und haben dann Requisiten, Kostüme und/oder ein Transparent dabei. Er hier demonstriert gerade für das Wohlergehen von Hunden:

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Wenn die Stunde um ist, kommt eine Hebebühne* piep-piep-piependerweise über den Platz gefahren und tauscht die Amateur-Denkmale aus. Pech, wenn man so morgens um 4.oo Uhr dran ist; dann macht es wahrscheinlich wenig Spaß, und die Zuschauerzahlen sind gewiss niedriger als deren Blutalkohol-Spiegel. Das Projekt one&other geht noch bis Oktober, und wer live sehen will, was gerade läuft, guckt hier.

Daß man sich ganz ohne den Sockel zum letzten Blödmannsgehilfen machen kann, wird in London traditionsgemäß auch oft und gern demonstriert. Er hier tanzt gegen Krieg, deshalb stehe ich dem Frieden jetzt skeptisch gegenüber:

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*(die haben hier einen viel schöneren Namen: Kirschpflücker)