Mein Reisepass hat in den letzten Jahren eine so bedeutsame Rolle in meiner Lebensführung gespielt, daß das nunmehr nahende Ende seiner Gültigkeitsdauer mich unruhig gemacht hatte. Weil ich mich schon lange im Ausland herumtreibe und bei keiner deutschen Gemeinde mehr als sesshaft angemeldet bin, musste ich gestern in dieser Angelegenheit die deutsche Botschaft aufsuchen. Deutsche Reisepässe schienen sehr begehrt zu sein, und viele wollten zeitgleich mit mir einen davon haben. In Knightsbridge, gleich hinter Harrod’s, ist eine Nachbarschaft mit einer Botschaft neben der anderen, jede natürlich durch Beflaggung gekennzeichnet. Ich hatte zunächst den Eindruck, daß entweder ich oder die überwiegend afrikanisch aussehenden anderen Botschaftsbesucher sich da im Eingang geirrt hatten, während ich als ethnische Minderheit im Wartezahl mit meinem Nummern-Zettelchen in der Hand saß. Das wurde dann noch etwas origineller, als meine mitgebrachten, vom Fotografen speziell angefertigten Biometrie-tauglichen Passbilder am Schalter als zu dunkel abgelehnt wurden, während links und rechts von mir andere Antragsteller Fotos abgaben, die wie Scherenschnitte aussahen!
Nachdem man in der Botschaft sehr großzügig mit meiner Freizeit umgegangen war, hatte ich glücklicherweise noch etwas Zeit für ein Treffen mit Choc, dem einzigen Belgier, den ich kenne und ein Londoner Kulturprogramm, das gleich mehrere Höhepunkte umfasste: Toby Keith, seit Jahren ein Platzhirsch im Country Music-Revier, hatte sein allererstes Konzert ever in England. Da durfte ich nicht fehlen und hatte mir auch wieder einen recht guten Platz im Hammersmith Apollo gesichert. Wenn vor mir gerade keiner seinen Cowboy-Hut oder Cowgirl-Hintern im Stehen schwingen wollte, hatte ich diese Sicht:
Diese Country-Konzerte locken immer auffällige Menschen aus ihren Verstecken, man ist dann meist umgeben von Rummelplatz-Cowboys mit Hut, Fransenjacke und Traumfänger-Schmuck, die glücklich jubeln und bedeutungsvoll ihre Getränke in die Höhe halten, wenn von Alkohol gesungen wird:
Im ganzen Land und insbesondere in London wurde gestern, am Armistice Day, wieder der Kriegsopfer der Vergangenheit und Gegenwart mit Mohnblumen gedacht, und am Trafalgar-Square gelang mir davon dieses Foto:
Erst am Wochenende war ich schonmal am Trafalgar-Square gewesen, weil ich dort mit einer Luckenwalder Abordnung zu einem kleinen Klassentreffen verabredet war. Schon nach wenigen Stunden merkte ich meinen eigenen Gedanken einen Berliner Dialekt an, der ist wohl nie von der Festplatte gelöscht worden. Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls hatte mir Marlen zu meiner großen Freude das Brandenburger Tor als Plätzchenform mitgebracht. Die termingerechte Anfertigung von Einheitsplätzchen ist dann aber wegen der sechs grazilen Säulen nix geworden, ersatzweise musste auf Einheitsgetränke ausgewichen werden.