Weekend und Sonnenschein

Dieses Wochenende habe ich mich fortbildenderweise in der Hauptstadt aufgehalten und dabei eine neue, nach Eigenständigkeit strebende zahnärztliche Fachrichtung, die Fibrodontie, kennengelernt: Ihr Gegenstand sind kleine Glasfaser-Bänder und -Netze, die dergestalt in Füllungsmaterialien eingebettet werden, daß man kleine Balkone an Zähne bauen kann, wenn man will. Damit will ich jetzt demnächst mal einen meiner Patienten überraschen.

In London gibt es immer Futter, das ich in Blandford nicht bekommen kann; vor lauter Freude werde ich da manchmal gierig. Ganz vorne liegen Thailänder, Portugiese und ein Sushi-Laden, in dem ich auch diesmal wieder schmerzhafte Wasabi-Selbstversuche, aus denen ich einfach nichts zu lernen schien, gemacht habe.

Als touristisches Nebenprogramm geriet ich ins Imperial War Museum, also ins Reichskriegsmuseum (wie man sowas weiterhin nennen darf, wenn man gewonnen hat). Jeder Krieg ist hier mit seinen sauberen Ausstellungsstücken räumlich und ordentlich vom anderen getrennt und unrealistisch hygienisch präsentiert. Neben den üblichen Flugzeugen an der Foyer-Decke und Beute-Panzern im Hof finden sich hier zum Beispiel der protzige Bronze-Adler vom Portal der Berliner Reichskanzlei und das Motorrad, auf dem Lawrence of Arabia bei Blandford zu Tode kam. Es war richtig was los im Kriegsmuseum, ganze Familien waren gekommen, und kletterten fröhlich zwischen den Kanonen umher. Ich schnappte auf, wie ein Kind quängelte: “Da-had, I don’t like this war! Let’s go to the next one.” Im Giftshop gibt es die abgefahrensten Souveniers aus schlechten Zeiten, Lebensmittelmarken als Kühlschrank-Magneten undsoweiter. Auch Leni Riefenstahl-Filme sind hier auf DVD erhältlich; in deren Menü-Leiste kann man seine Kapitelauswahl mit einem lustigen hüpfenden Hakenkreuz treffen (Woher ich das weiß? Och, mit meiner eigenen Vergangenheit als umstrittener Filmemacher hatte ich ja wohl für diese unsinnige Anschaffung eine angemessene Rechtfertigung!).

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Baby In Black

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Durch seinen entschlossenen Fußtritt flog die Tür auf, und Benedikt besaß augenblicklich die volle Aufmerksamkeit der Krabbelgruppe des Waldorf-Kindergartens Köln-Ost. Schweigend zog er Daumen und Zeigefinger aus seinem Mund und schaute sich langsam um: Vier Anna-Lenas, drei Lukasse und einige Leons waren hochgeschreckt und vergaßen für einen Moment, warum sie gerade noch gebrüllt hatten. Allen war in diesem Moment klar: Das Alpha-Baby war eingetroffen, vor ihm würde man sich hüten müssen. Es hieß, er habe mal in Reno jemandem sein Spielzeug weggenommen, nur um ihm beim Weinen zuzusehen. Von nun an würde hier ein anderer Wind wehen.

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